Trotz enormer Behandlungserfolge in den letzten Jahrzehnten bei der Behandlung von Kindern mit Krebserkrankungen gibt es immer noch ca. 20 Prozent unbehandelbare Leukämieformen. Genau an diesem Problem setzt eine Kooperation zwischen Experten aus mathematisch-naturwissenschaftlicher und medizinischer Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) an. Dr. Sanil Bhatia, Wissenschaftler an der Klinik für Kinderonkolgie, -hämatologie und Klinischer Immunologie, konnte nun im Rahmen dieser Forschungskooperation die Wirksamkeit eines neu entwickelten Hemmstoffs gegen das so genannte „heat-shock-protein 90“ (HSP90) nachweisen. Der Hemmstoff zeigt eine erstaunliche Wirksamkeit selbst auf hochresistente Leukämiezellen. Diese Forschungsergebnisse wurden kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift „Blood“, dem Organ der American Society of Hematology, veröffentlicht (Bhatia et al, 2018).
„Das Prinzip entspricht dem Ansatz der Präsizonstherapien. Sie liefern Möglichkeiten, bislang unbehandelbare Leukämieformen erfolgreich zu therapieren“, sagt Prof. Dr. Julia Hauer, Oberärztin und Leiterin der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe dazu an der Klinik. Während die eher unspezifische Chemotherapie sich gegen alle sich schnell teilenden Zellen eines Organismus richtet, also auch gesunde wie Haar- und Schleimhautzellen, funktionieren Präzisionstherapien nach dem Schlüssel-/Schloss-Prinzip. Ermöglicht wird dieser therapeutische Ansatz durch die molekulargenetische Grundlagenforschung, die Schlüssel und Schloss vorher identifizieren muss. Die konventionelle Chemotherapie, die viele Erfolge verzeichnen kann, verfolgt vereinfacht ausgedrückt eher das Prinzip „Gießkanne“. Sie kann daher mit deutlichen Langzeitkonsequenzen für die Gesundheit und die Lebensqualität der behandelten Kinder einhergehen.
Mit dem von den Arbeitsgruppen Prof. Dr. Thomas Kurz, JProf. Dr. Finn Hansen und AG Prof. Dr. Holger Gohlke entwickelten Wirkstoff Aminoxyrone gelingt es, das „heat-shock-protein 90“ (HSP 90) zu hemmen. Das HSP 90 ist ein so genanntes Chaperon-Protein, abgeleitet vom englischen Wort für „Anstandsdame“ (chaperone), dass unreife Proteine vor schädlichen Kontakten bewahrt. Beim Einsatz des Wirkstoffes Aminoxyrone reichen selbst sehr geringe Dosen aus, um ein vollständiges Absterben der Leukämiezellen nachzuweisen. Die zelluläre „Anstandsdame“ war ausgeschaltet, die Krebszelle wird zerstört.
Durch die enge Zusammenarbeit zwischen dem Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie (Prof. Holger Gohlke, Prof. Thomas Kurz, Prof. Joachim Jose und Junior-Prof. Finn Hansen (mittlerweile tätig an der Universität Leipzig)) aus der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät und der AG von Prof. Julia Hauer aus der Klinik für Kinderonkologie, -Hämatologie und Klinische Immunologie (Direktor Prof. Arndt Borkhardt) konnte dieser neue hochwirksame Therapieansatz in präklinischen Untersuchungen überprüft werden. Das Konsortium aus Pharmazeuten, Kinderonkologen sowie Struktur- und Molekularbiologen arbeitet seit 2015 an der HHU eng zusammen. Die Wissenschaftler haben in umfangreichen Vorarbeiten eine neue technologische Methodenpipeline entwickelt, die zukünftig auch auf Fragestellungen in anderen schwer behandelbare Tumorentitäten übertragen werden kann.
„Die Forschergruppe von Prof. Gohlke und Prof. Kurz haben eine tolle Plattform entwickelt, die ausgehend vom gegenwärtigen Beispiel einer speziellen Form der Kinder-Leukämie, weiter auf andere Tumorerkrankungen übertragen werden kann. Es ist zudem wirklich ein richtiges „Düsseldorfer Produkt“ der HHU Forscher“, lobt Prof. Dr. Arndt Borkhardt, Direktor der Klinik für Kinder-Onkologie, -Hämatologie und Klinische Immunologie, die Zusammenarbeit zwischen seiner Klinik und den Forschergruppen. Er sieht in der spezifischen genetisch definierten, individualisierten „Präzisionstherapie“ und der Einbeziehung des ganz individuellen Risikoprofils jedes einzelnen erkrankten Kindes die wichtigsten Trends der aktuellen Krebsforschung.
In einem wissenschaftlichen Symposium unter dem Titel „Precision therapy“ möchte das Düsseldorfer Konsortium die neue Plattform für die Entwicklung dieser molekular-basierten Therapieansätze präsentieren. Hochrangige Redner aus Aachen, München und Groningen werden neben den Düsseldorfer Wissenschaftlern ihre neuesten Forschungsergebnisse präsentieren. Symposium „Precision Therapy“, Donnerstag, den 5.7.2018, 14:30-18.30 Uhr. O.A.S.E..
Publikation: Bhatia, S. Diedrich, D.; Frieg, F.; Ahlert, H.; Stein, S.; Bopp, B.; Lang, F.; Zang, T.; Kroeger, T.; Ernst, T.; Koegler, G.; Krieg, A.; Luedeke, S.;Kunkel, H.; Rodrigues Moita, A. J.; Kassack, M. U.; Marquardt, V.; Opitz, F.; Oldenburg, M. Remke, M.; Babor, F.; Grez, M.; Hochhaus, A.; Borkhardt, A.; Groth, G.; Nagel-Steger, L.; Jose, J.; Kurz, T.; Gohlke, H.; Hansen, F. K.* (co-senior author), Hauer, J.*: “Targeting HSP90 dimerization via the C-terminus is effective in imatinib resistant CML and lacks the heat shock Response”, Blood 2018, DOI: 10.1182/blood-2017-10-810986.