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Lisa Römer ausgezeichnet

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Das Schaufenster bietet mit seinen spezifischen Eigenschaften einzigartige Potentiale, die für Kunst und Kommerz gleichermaßen gewinnbringend sein können. Die zahlreichen Belege der Auseinandersetzung von Künstlern mit Schaufenstern zeugen von der tiefgreifenden Bedeutung dieses Mediums für die Kunstwelt. Besonders die Zusammenarbeit von Künstlern mit Unternehmen aus den vergangenen Jahren zeugt von der Aktualität dieses Themas. Die Geschichte des Schaufensters ist eng mit der Entwicklung des Einzelhandels verknüpft. Mit der Verbreitung der Warenhäuser Ende des 19. Jahrhunderts entsteht das Schaufenster als architektonischer Raum und wird zum Aushängeschild der Warenwelt. Hinter der Glasscheibe werden nicht nur Waren zur Schau gestellt und inszeniert, sondern auch Wertvorstellungen vermittelt. So wird das Schaufenster als wichtigstes Werbemittel des Handels Ausdruck und Förderer der modernen Konsumkultur. Die zunehmende Professionalisierung resultiert in einem Streben nach einer Schaufensterkunst Anfang des 20. Jahrhunderts, die sich vom eigentlichen Zweck des Schaufensters abzuwenden versucht. Ein Ziel, das nur in den seltensten Fällen verwirklicht werden kann. Vielmehr hat sich die Schaufensterkunst als eine Form der angewandten Kunst etabliert. Wenn ein bildender Künstler ein Schaufenster nach seinen Prinzipien gestaltet, ist von einem  Künstlerschaufenster zu sprechen. Neben der verkaufsfördernden Nutzung des Künstlerschaufensters im Sinne eines Werbemittels dient das Schaufenster auch als alternativer Ausstellungsraum, mit dem Kunst an das kunstferne Publikum vermittelt werden kann. Darüber hinaus nehmen die Künstler mit ihrer Gestaltung auch Bezug auf die Funktionen des Mediums als solches. Unvergessen bleibt Salvador Dalí, der 1945 weniger durch das Künstlerschaufenster selbst als vielmehr durch sein exzentrisches Verhalten einen Skandal entfacht. Sein Schaufenster beschäftigt sich in besonderer Weise mit der allgemeinen Sicht auf das Medium Schaufenster, er hat seine Schaufenster von Beginn an als surrealistische Manifeste seines künstlerischen Schaffens konzipiert. Um den eigentlichen Antrieb des Konsums zu thematisieren nutzt er den Narziss-Mythos als Metapher. Eine ähnliche Perspektive nimmt Marcel Duchamp mit seinem Schaufenster ein. Zwar gestaltet er die Schaufenster als Werbemittel für die Publikationen seiner Freunde, der Fokus liegt jedoch auf einer kulturellen Erfahrung. Mit seiner Gestaltung spielt er auf die verkaufsfördernde Funktion von Schaufenstern an, die in dem Passanten ein Verlangen nach Dingen weckt, die er gar nicht braucht. Das kopflose Mannequin symbolisiert den Konsumenten, der unreflektiert Waren kauft. So können beide Künstlerschaufenster durch die verschiedenen Bezüge in den Werkkanon der Künstler eingeordnet werden, sie sind als vollwertiges Kunstwerk anerkannt. Vordergründig ganz im Sinne der Werbung stehen die Künstlerschaufenster von Andy Warhol und den unter dem Pseudonym Matson Jones arbeitenden Robert Rauschenberg und Jasper Johns. Von Gene Moore beauftragt, gestalten sie in den 1950er Jahren Schaufenster für Bonwit Teller und Tiffany’s. Darüber hinaus fördert Moore die Arbeit der Künstler in der hohen Kunst, indem er die Schaufenster als Ausstellungsraum umfunktioniert und ihre Werke darin zeigt. In diesem Fall erfüllen die Schaufenster die Aufgaben einer Galerie und schaffen den Künstlern eine Plattform, ihre künstlerischen Werke der Öffentlichkeit zu präsentieren. Warhol hatte viele Freiheiten bei der Gestaltung seiner Künstlerschaufenster, da er bereits verschiedene kommerzielle Projekte durchgeführt hatte. Die grafische Gestaltung der Parfum-Schaufenster erinnert dennoch an die Darstellungsmethoden seines Schaffens als bildender Künstler. Rauschenberg und Johns trennen mit dem Pseudonym ihre kommerzielle Arbeit klar von ihrer Tätigkeit als Künstler. Sie fertigen verschiedene Schaufenster, deren Gestaltung zwar von Gene Moore vorgegeben wird, welche sie aber frei ausführen können. So erwerben die beiden vor allem handwerkliche Fähigkeiten durch diese  Tätigkeit. Die Künstlerschaufenster erfüllen hier eine werbende Funktion, der die künstlerische Gestaltung untergeordnet ist, das Künstlerschaufenster ist ein Werbemittel geworden. Jedoch können die entstandenen Künstlerschaufenster als Schaufensterkunst bezeichnet werden, da die Schaufenster besonders durch ihre kunstvolle Gestaltung beeindrucken. Sie verdeutlichen, dass die Grenze zwischen den verschiedenen Kategorien nicht immer eindeutig gezogen werden kann. Im neuen Jahrtausend sind es die Luxusunternehmen, die ‚kritische‘ Künstler für die Gestaltung ihrer Schaufenster gewinnen. Das im Jahr 2006 weltweit in den Filialen  von Louis Vuitton gezeigte Künstlerschaufenster von Olafur Eliasson ist ein Beispiel für die neuen, global angelegten Werbemaßnahmen der Unternehmen. Sein Schaufenster zeichnet sich jedoch durch eine Besonderheit aus: Es werden keine Waren präsentiert. Der Künstler platziert ein überdimensionales ‚Auge‘ in dem Fenster, dass mit seinem gelben Licht über seine Grenzen hinaus die Straße beleuchtet. Durch spezielle Glasscheiben spiegelt das Auge den Betrachter und kann dabei nur schwer selbst in seiner Ganzheit gesehen werden. Mit dem Schaufenster spielt der Künstler einerseits mit der Neugierde des Betrachters, andererseits mit den bedrückenden Gedanken an einen Überwachungsstaat. Eine ähnliche Ästhetik zeigt das Künstlerschaufenster von Katharina Sieverding mit   seiner Projektion der Sonne als leuchtenden blauen Planeten. Der aus NASA-Daten gewonnene Film reflektiert die universellen Zusammenhänge des Seins, indem er auf die Abhängigkeit irdischen Lebens von der Sonne anspielt. Im Schaufenster strahlt die Projektion ihre Botschaft dem Passanten 24 Stunden am Tag entgegen. Zwar stehen die Künstlerschaufenster in der Kritik den Werbezwecken der Unternehmen zu dienen, diese erscheint jedoch vor dem Hintergrund, dass keine Waren präsentiert werden, hinfällig. Das Anliegen, kunstfernes Publikum zu erreichen und den Anforderungen jenseits des White Cube gerecht zu werden, steht im Vordergrund. Besonders der Vermittlungsaspekt von Kunst an kunstfernes Publikum ist ein Beweggrund, Kunst im Schaufenster auszustellen. Darüber hinaus beeinflussen sich Warenhaus und Museum in einem stetigen Wechselverhältnis und gleichen sich immer weiter an. Die ähnlichen Präsentationsformen verschmelzen im Schaufenster, wenn dort Kunst präsentiert wird. Das Image des Unternehmens gewinnt Ansehen, der Künstler profitiert von der öffentlichen Aufmerksamkeit. Mit der Aktuellen Kunst Hohe Straße wurde dieses Anliegen von Dietmar Schneider in Köln bereits in den 1960er Jahren verwirklicht. Ein Konzept, das auch in der heutigen Zeit Befürworter findet. Dennoch wird im 21. Jahrhundert Fokus auf den Erlebniswert beim Shopping gelegt, dessen größter Konkurrent der digitale Kommerz geworden ist. In den Schaufenstern wird diesem Umstand Rechnung getragen, mit neuen Technologien wird dieses in Zukunft die individuellen Vorlieben des Passanten ansprechen. Es beeindruckt mit interaktiven Elementen oder bricht gar ganz aus seinem architektonischen Rahmen aus. Eine völlig neue Form der Symbiose sind Takashi Murakami und Yayoi Kusama mit dem Unternehmen Louis Vuitton eingegangen. Sie lassen die Grenzen zwischen Kunst- und Konsumobjekten hinter sich, indem sie den von ihnen entworfenen Produkten Einzug in die Kunstwelt gewähren. Die Kooperation geht über die einfache Präsentation der Produkte hinaus, denn die gestalteten Künstlerschaufenster werden neben ihrer Funktion als Werbemittel als vollwertiges Kunstwerk wahrgenommen. Dies bestätigt, dass die traditionelle Kategorisierung von Kunst und Kommerz hinfällig geworden ist und eine neue Definition dieser gewandelten Beziehung gefunden werden muss. Als Konstante bleibt das (Künstler-) Schaufenster bestehen, indem es diese Beziehung in sich selbst vereint und visuell erfahrbar macht.

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